19. Mai 2024
Eifel. Foto: Udo Weier

Hillbilly-Elegie.

Dieses Buch versucht den Wahlerfolg Trumps zu erklären. Vance wächst als Kind und Jugendlicher in einer Gegend und sozialen Schicht von Trumpwählern auf. Er wächst in einer armen Familie auf. Trotzdem gelang ihm mit einem Studium an einer Eliteuniversität der soziale Aufstieg und verwirklichte sich der „Amerikanische Traum“. Heute führt er das Leben eines „typischen weißen Mittelstandsamerikaner“. Wie gelang J.D. Vance dieser soziale Aufstieg?
Die Demografie der USA ist geprägt von der Einwanderung und einer starken Binnenwanderung. Während der wirtschaftlichen Depression fanden viele Amerikaner in den von der Stahl- und Schwerindustrie geprägten Bundesstaaten eine neue Arbeit, dem „Rust Belt“. Obwohl farbige und weiße Arbeiter unter den gleichen schweren Arbeitsbedingungen ihr tägliches Brot verdienten, wohnte man in getrennten Wohnbezirken.
Vances Großeltern wanderten aus Kentucky, ein von der Landwirtschaft geprägter Bundesstaat in das nahe Ohio ein. Mit allen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Umgebung anzupassen. Die Bewohner der gebirgigen Bundesstaaten in den Appalachen bezeichnet man auch abfällig als Hillbillys: „Hinterwäldler“, „Landei“. In dieser Region lieben die Menschen die Religion und ihre Waffen. Die Einwohner neigten zur Selbstjustiz und lösten ihre Konflikte mit Gewalt. Für die Menschen in dieser Region sind Politiker wie Barack Obama oder Bill Clinton Vertreter der Ostküstenelite; Menschen aus einer anderen Welt.
In diesem sozialen Umfeld wächst Vance auf. Seine Familienverhältnisse kann man nur als zerrüttet bezeichnen. Er sieht Gewalt zwischen seinen Eltern, erlebt einen Selbstmordversuch seiner Mutter. Durch die wechselnden Partner seiner Mutter bekommt er laufend neue Väter mit wechselnden Wohnorten. In dieser Phase helfen seine Großeltern und seine Schwester und fördern ihn in der Schule.
Nach der Dienstzeit bei den Marines, die er als Schule des Lebens bezeichnet, erhält einen Studienplatz an der Yale Universität. Der Autor bezeichnet sich als modernen Konservativen, der die USA als großartigstes Land der Erde bezeichnet, distanziert sich aber von den Verschwörungstheorien eines Steve Bannon. Er stellt sich die Frage, warum so wenige Menschen aus seiner sozialen Schicht an der Yale Universität studieren.
Mit der Globalisierung sanken in der industriellen Fertigung die Profite der Aktionäre. Die Produktion wurde ins Ausland verlagert, führte zur Deindustrialisierung der USA und dem Verschwinden von Arbeitsplätzen im „Rust Belt“. Durch diesen Arbeitsplatzverlust waren immer größere Teile der weißen Arbeiterschicht von der Armut betroffen. Sie verloren den Glauben an den „Amerikanischen Traum“, und gleichzeitig sank die Identifizierung mit den amerikanischen Werten. Aus dieser Gruppe gewinnt Trump viele Wähler. Wie alle Populisten bestätigt Trump die Überzeugungen, Vorurteile und besonders die Ängste dieser Gruppe ohne Lösungen anzubieten. Indem Trump die Vorurteile seiner Wähler bestätigt, Schuld an ihrem geringen Lebensstandard sind die Migranten aus Südamerika, die Eliten oder die Regierung, verhindert er die Eigeninitiative der Menschen. Auch die zerrütteten Familienverhältnisse, die Kindern kein „geordnetes“ Leben ermöglichen, verhindern die Eigeninitiative. Die staatlichen Institutionen besitzen nach der Überzeugung Vance` nicht die Fähigkeit, diese Fehlentwicklung zu korrigieren.
Hier entsteht der Eindruck, wenn jeder an den „Amerikanischen Traum“ glaubt und hart arbeitet, gelingt der soziale Aufstieg. Eine Einstellung, die bei Vance nicht überraschend wäre. Doch auch Vance erkennt, ohne die Unterstützung anderer Menschen wäre ihm der soziale Aufstieg nicht gelungen.

Bei jedem Schritt, den ich gemacht habe, in jedem neuen Umfeld hatte ich Verwandte und Mentoren und treue Freunde, ohne deren Unterstützung ich meinen Weg nicht hätte gehen können.1

Dies gilt auch für seine gut bezahlte Arbeitsstelle.

Manchmal ist es wichtiger Glück zu haben, als gut zu sein. Und die richtigen Beziehungen zu haben ist offenbar besser als beides zusammen.3

Und sein Fazit:

Ich habe wirklich Schwein gehabt.2

Sein sozialer Aufstieg bedeutet kein Bruch mit seiner Vergangenheit. Seine obdachlose und drogenabhängige Mutter ist auf seine Hilfe angewiesen. Vance und seine Mutter hatten ähnliche Voraussetzungen. Das Leben seiner Mutter ist gescheitert, sein Leben wird man als erfolgreich bezeichnen.
Das Buch ist eine Sozialreportage und der Bericht eines sozialen Aufsteigers.
Wie gelang J.D. Vance der soziale Aufstieg? Ohne die Hilfe anderer Menschen hätte Vance es nicht geschafft.

J. D. Vance. Hillbilly-Elegie. Ullstein Verlag. 6. Auflage 2017. Aus dem Amerikanischen von Gregor Hens

1) S. 291
2) S. 291
3) S. 248

Bei Hillbilly denkt der Leser vielleicht auch an Hillbillymusik, dem Vorläufer der Countrymusik. Eine kurze Geschichte der Countrymusik ist hier zu lesen.

Nachtrag: 10. November 2022

Bei den Midterms 2022 wurde J. D. Vance zum Senator von Ohio gewählt. Seine Nominierung und Wahl unterstützte Trump.

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